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Denise Keller

Wie alles begannTeil 2

Freedive Geschichte erzählt durch deren Figuren - Part 2

Denise Keller
Denise Keller
PADI IDC Staff Instructor | PADI Freedive Instructor

Was Enzo Maiorca und Jacques Mayol begonnen haben, entwickelten die heutigen Athlet*innen zur Perfektion. Die Tiefe ist nicht mehr nur Grenzerfahrung – sie ist Disziplin, System, Philosophie und oft auch Kunst. Willkommen in der Ära der Weltrekorde, YouTube-Tauchgänge und inneren Reisen.

Umberto Pelizzari – Der Schüler von Mayol

Nach dem Tod von Jacques Mayol übernahm einer das spirituelle Staffelholz und machte Freediving zum durchdachten Sport: Umberto Pelizzari.

  • Schüler von Mayol und später - jetzt selbst Lehrer ganzer Generationen.
  • Gründete die Apnea Academy, die bis heute eines der anerkanntesten Ausbildungsprogramme weltweit ist.

Seine Disziplin: Eleganz, Technik, Tiefe – und der Beweis, dass man auch mit System Weltrekorde aufstellen kann.

 

Pipin Ferreras & Audrey Mestre – Tiefer als die Tiefe

Pipin Ferreras war einer der radikalsten Freediver der 1990er-Jahre. Mit explosiver Energie, No-Limits-Rekorden und seiner Rivalität mit Umberto Pelizzari prägte er die extreme Seite des Sports.

  • Mehrfache No-Limits-Weltrekorde jenseits der 150 m-Marke.
  • Öffentlich ausgetragene Rivalität mit Umberto Pelizzari.
  • Bekannt für risikoreiche Tauchgänge und kontroverse Sicherheitspraktiken.

Audrey Mestre war seine Partnerin – und bald die Bessere. 2002 stellte sie mit 171 m nicht nur einen neuen Weltrekord auf, sondern übertraf damit alle Männer ihrer Zeit – auch Pipin.

  • 171 m No Limits – der tiefste Tauchgang ihrer Ära, Männer inklusive.
  • Bekannt für stille Konzentration, technische Präzision und mentale Stärke.
  • Starb 2002 bei einem missglückten Rekordversuch – ihr Tod veränderte den Sport nachhaltig.

No Limits – The Audrey Mestre Documentary (2016-ish) – ca. 553 Tsd. Aufrufe auf YouTube.

The Terrifying Last Dive of Audrey Mestre – Doku über den tragischen Tauchunfall von 2002.

 

Tanya Streeter – Die Frau, die die Männer überholte

Tanya Streeter, mit Wurzeln auf den Cayman Islands, bewies, dass Frauen im Freediving keine Sonderrolle brauchen – sie spielte vorne mit:

  • 2002: 160 Meter Tiefe im No Limits – ein Rekord, der damals auch die Männer übertraf.
     
  • Ihre Stärke: mentale Klarheit, gezielte Technik und eine klare Stimme für Meeresschutz und Gleichberechtigung.
     
  • Heute inspiriert sie viele durch Vorträge und Umweltarbeit.
     

 

Natalia Molchanova – Die Königin der Tiefe

Nach Audrey und Tanya prägte niemand Freediving so tiefgreifend wie Natalia Molchanova.

  • Über 40 Weltrekorde, dominierte alle Disziplinen, ob statisch, dynamisch oder tief.
  • Entwickelte Trainingsmethoden, die noch heute weltweit genutzt werden.
  • Sie verschwand 2015 bei einem Tauchgang in Formentera – bis heute wurde ihr Körper nie gefunden.
  • Ihr Sohn Alexey Molchanov führt ihr Erbe weiter.

 

Guillaume Néry – Der Künstler unter den Tieftauchern

Mit Guillaume Néry kam der visuelle Stil in den Sport:

  • Mehrfacher Weltrekordhalter (u.a. 126 m CWT).
  • Bekannt durch seine Filme: Free Fall, One Breath Around the World – über Millionen Male geklickt.
  • Kombiniert Tiefenleistung mit Ästhetik, Kamerakunst und philosophischem Zugang zum Meer.

Free Fall – Julie Gautier

 

Herbert Nitsch – The Deepest Man on Earth

Herbert Nitsch aus Österreich hält bis heute den absoluten Tiefenrekord:

  • 214 Meter No Limits – ein Wert, bei dem andere nur den Kopf schütteln.
  • Doch der Preis war hoch: Bei einem weiteren Rekordversuch 2012 erlitt er schwere Dekompressionsschäden.
  • Heute konzentriert er sich auf statisches Apnoe und mentale Techniken

Freediver Herbert Nitsch – Trailer «Back from the Abyss»

 

William Trubridge – Die pure Tiefe

Trubridge aus Neuseeland revolutionierte das No Fin Freediving:

  • Ohne Flossen und ohne Seilhilfe – bis zu 102 Meter tief.
  • Gründer der Vertical Blue-Wettkämpfe auf den Bahamas – Mekka für Weltrekorde.
  • Befürworter für Umweltschutz und Atembewusstsein.
     

Alexey Molchanov – Der Alleskönner

Alexey, Sohn von Natalia Molchanova, dominiert heute die internationale Szene:

  • Rekorde in Constant Weight (CWT), Bifins (CWTB), Dynamik (DYN, DYNB).
  • Führt die Molchanovs-Plattform, die ein Ausbildungsprogramm WAVE, Onlinekurse, Equipment und Trainings weltweit anbietet.
  • Seine Kombination aus Technik, Disziplin und Auftreten hat Freediving in die Gegenwart katapultiert.

 

Alessia Zecchini – Die Unaufhaltbare

Alessia Zecchini ist das Gesicht der modernen italienischen Freediving-Generation – und gilt heute als eine der erfolgreichsten Athletinnen des Sports.

  • Schon mit 13 Jahren begann sie mit dem Apnoetauchen – und brach später fast alles, was sich brechen liess: zahlreiche Weltrekorde in Tieftauch-Disziplinen, insbesondere in Constant Weight (CWT) und Free Immersion (FIM).
  • 123 Meter in CWT (Frauenweltrekord) und 101 Meter in FIM sprechen für sich – und für ihre mentale Stärke.
  • Ihr Stil ist ehrgeizig, technisch hochpräzise und oft kompromisslos. Sie liebt den Wettbewerb – und lebt dafür.

Doch Alessia ist nicht nur eine Athletin, sie ist auch ein öffentliches Gesicht des Sports – spätestens seit dem Netflix-Dokumentarfilm «The Deepest Breath» (2023), in dem ihr Training, ihre Grenzerfahrungen und ihre Verbindung zu Sicherheitsfreitaucher Stephen Keenan im Mittelpunkt stehen.

The Deepest Breath (2023) – Netflix-Dokumentation über Alessia Zecchini und den Safety-Taucher Stephen Keenan.

Stephen starb 2017 bei einem Rettungsversuch für Alessia in der Blue Hole-Höhle von Dahab – ein Ereignis, das sie tief geprägt hat.

Trotz dieses tragischen Verlusts kehrte Alessia zurück in den Sport – stärker, fokussierter und mit noch mehr Hingabe.

Alessia Zecchini steht für die neue Generation: ehrgeizig, verletzlich, menschlich – und in der Tiefe zu Hause.

 

Andere Disziplinen – Pool, Präzision und neue Gesichter

Während die grossen Namen meist aus dem Tieftauchen bekannt sind, haben sich besonders in den letzten 20 Jahren die Pool-Disziplinen als eigene Welt etabliert. Hier zählt nicht Tiefe, sondern vor allem technische Präzision, mentale Stärke und Atemkontrolle.

  • Mateusz Malina aus Polen dominiert seit Jahren die Dynamik-Disziplinen. Seine Rekorde sind beeindruckend: Über 300 Meter mit Monoflosse (DYN) und 250 Meter ganz ohne Flossen (DNF).
  • Julia Kozerska, ebenfalls aus Polen, ist die derzeit führende Frau in Dynamic No Fins (DNF) mit über 210 Metern – eine unglaubliche Distanz, die selbst die meisten Männer nicht erreichen. Ihre Leistung zeigt, wie viel im Freediving allein durch Technik und mentale Stärke möglich ist.
  • Branko Petrović aus Serbien brachte die Disziplin Static Apnea (STA) auf eine neue Ebene: 11 Minuten 54 Sekunden Luftanhalten – ein Rekord, der körperliche und mentale Grenzen sprengt und eine neue Ära der Atemtechnik markiert.

Auch etablierte Tieftaucher*innen wie Alexey Molchanov und William Trubridge sind regelmässig in Pool-Disziplinen vertreten und zeigen damit, wie vielseitig der moderne Apnoesport geworden ist.

Doch die spektakulärste aller Disziplinen – das No Limits Freediving – fand in den letzten Jahren ein langsames Ende. Nach dem Tod von Audrey Mestre (2002) und dem schweren Unfall von Herbert Nitsch (2012) wurde klar, dass die Risiken einfach zu hoch sind. Grosse Verbände wie AIDA und CMAS strichen diese Disziplin aus ihren offiziellen Wettkampfprogrammen.

Heute konzentriert sich der Sport auf kontrollierte Disziplinen mit klaren Sicherheitsstandards, bei denen sportliche Leistung und Sicherheit Hand in Hand gehen. Freediving ist erwachsen geworden – und bleibt dennoch genauso faszinierend wie zu Zeiten von Enzo Maiorca und Jacques Mayol.

 

Aktuelle Freediving-Weltrekorde (Stand: 2025)

Disziplin

Athlet*in

Leistung

Kommentar

STA – Static Apnea (Zeittauchen, Männer)

Branko Petrović (Serbien)

11 Minuten 54 Sekunden

Rekord im reinen Lufanhalten an der Oberfläche

STA – Static Apnea (Zeittauchen, Frauen)

Magdalena Solich-Talanda (Polen)

9 Minuten 5 Sekunden

Herausragende Atemkontrolle

DYN – Dynamik mit Monoflosse (Männer)

Mateusz Malina (Polen)

316.53 Meter

Strecke mit Monoflosse im Pool

DYN – Dynamik mit Monoflosse (Frauen)

Mirela Kardašević (Kroatien)

277 Meter

Aktueller CMAS-Rekord

DNF – Dynamik ohne Flossen (Männer)

Mateusz Malina (Polen)

214 Meter

Maximale Distanz ohne Hilfsmittel

DNF – Dynamik ohne Flossen (Frauen)

Julia Kozerska (Polen)

214 Meter

CMAS-Weltrekord (2025)

CWT – Constant Weight mit Monoflosse (Tieftauchen, Männer)

Alexey Molchanov (Russland)

136 Meter

Tiefenrekord mit Monoflosse (Wettkampfdisziplin)

CWT – Constant Weight mit Monoflosse (Frauen)

Alessia Zecchini (Italien)

123 Meter

Konstante Tiefe mit Stil

CWTB – Constant Weight mit Bi-Fins (Männer)

Alexey Molchanov (Russland)

125 Meter

Tieftauchen mit Doppelflossen

CWTB – Constant Weight mit Bi-Fins (Frauen)

Mirela Kardašević (Kroatien)

113 Meter

Bi-Fin-Rekord im offenen Wasser

CNF – Constant Weight ohne Flossen (Männer)

William Trubridge (Neuseeland)

102 Meter

Extrem anspruchsvolle Disziplin

CNF – Constant Weight ohne Flossen (Frauen)

Sayuri Kinoshita (Japan) †

72 Meter

In Erinnerung: starke Pionierin

FIM – Free Immersion (Männer)

William Trubridge (Neuseeland)

122 Meter

Nur mit Ziehen am Seil – keine Flossen

FIM – Free Immersion (Frauen)

Alessia Zecchini (Italien)

101 Meter

Tiefe mit ruhiger Kraft

 

Freediving heute – Lifestyle, Leistung und Lebensschule

Freediving ist heute vieles:

  • Hochleistungssport mit Weltrekorden.
  • Lifestyle mit Atemkursen und Retreats.
  • Bewusste Auseinandersetzung mit Angst, Fokus und Natur.

Die neue Generation taucht nicht nur – sie atmet bewusster, lebt entschiedener und nutzt das Wasser als Spiegel der eigenen Tiefe.